Titel
Brugg erleben. Bd. 1: Schlaglichter auf die Brugger Geschichte, Bd. 2: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft im Wandel


Autor(en)
Baldinger Fuchs, Astrid; Banholzer, Max; Baumann, Max; Müller, Felix; Siegenthaler, Silvia; Steigmeier, Andreas
Erschienen
Baden 2005: hier + jetzt, Verlag für Kultur und Geschichte
Anzahl Seiten
752 S.
Preis
€ 56,80
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Christian Lüthi, Universitätsbibliothek Bern

Ein Postulat im Stadtparlament von Brugg lancierte im Jahr 2000 die Vorarbeiten für eine Brugger Stadtgeschichte. Sechs Historikerinnen und Historiker erhielten anschliessend den Auftrag, eine Synthese der lokalen Geschichte mit Schwerpunkt in der Neuzeit (17.–20. Jahrhundert) vorzulegen. Unterstützt von einer zweiköpfigen Steuergruppe verfasste das Autorenteam ein zweibändiges Werk, das auf einem ambitionierten Konzept basiert. Der 470 Seiten umfassende zweite Band legt das Grundgerüst der Brugger Geschichte. In fünf Kapiteln geben Astrid Baldinger Fuchs, Max Banholzer, Max Baumann, Felix Müller, Silvia Siegenthaler und Andreas Steigmeier einen Überblick zu fünf Themenbereichen: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Verkehr/Siedlungsentwicklung/Infrastruktur sowie Religion/Kirche. Die Kapitel sind chronologisch aufgebaut und enthalten weitere Unterthemen. Einzelne Abschnitte setzen im Mittelalter ein und führen ins 20. Jahrhundert, die Schwerpunkte liegen jedoch in der Neuzeit. Dieser Band ist relativ textlastig, enthält aber dennoch Bilder, Grafiken und Tabellen, welche den Text illustrieren.

Mit dem Inhalt von Band 1 verfolgt die Publikation einen ungewöhnlichen,
aber interessanten Ansatz. Er enthält zehn Schlaglichter, die einzelne Aspekte der Brugger Geschichte vertiefen und sich von der Römerzeit bis in die Gegenwart erstrecken. Mit der Platzierung in Band 1 erhalten diese Themen mehr Gewicht als bei anderen Orts- und Kantonsgeschichten, welche thematische Exkurse meist an den Schluss gestellt haben (ein Beispiel dafür ist die Publikation «Basel, Geschichte einer städtischen Gesellschaft» von 2001). Überall dort, wo inhaltliche Querbezüge zwischen den beiden Bänden bestehen, findet man in der Randspalte Seitenzahlen, die als eine Art gedruckte Hyperlinks gedacht sind. Bei einer Publikation im Internet könnte man in diesen Fällen mit einem Mausklick zur verlinkten Textstelle springen.

In der Zeit unter bernischer Herrschaft (1415–1798) war Brugg der östliche
Eckposten Berns im Mittelland. Diese Epoche nimmt einen grösseren Teil der Publikation ein. Dies gilt für Band 2 und besonders für Band 1, den Max Baumann und Andreas Steigmeier verfassten. Im Kapitel «Prophetenstadt» zeigen sie, dass viele Brugger Bürgersöhne nach dem Besuch der Schulen der Landstadt ein Theologiestudium in Bern absolvierten. Brugg war in der frühen Neuzeit ein wichtiges Reservoir für den theologischen Nachwuchs der Berner Staatskirche. Das Kapitel «Frauenstadt» berichtet von den Lebensumständen unterschiedlicher Bruggerinnen; der Alltag und die Biografien von Wirtinnen, Metzgersfrauen, Dienstmägden und der Gattin eines Schultheissen im 18. Jahrhundert werden darin lebendig dargestellt. Im Abschnitt «Patrizierstadt» erklären und illustrieren die Autoren die Regierungs- und Machtmechanismen im Brugg des Ancien Régime. Das Kapitel «Revolutionsstadt» schildert anschaulich, welche Akteure sich Ende des 18. Jahrhunderts und besonders beim Umsturz 1798 auf der politisch-gesellschaftlichen Bühne gegenüberstanden. Erfolgreiche Gewerbetreibende, die nicht den regierenden Familien angehörten, sympathisierten mit den Postulaten der Französischen Revolution. Dieser Gruppe gehörten aber auch junge aufstrebende Bürger an, die von den Ideen der Aufklärung überzeugt waren. Unter ihnen befand sich der Sohn des Brugger Schultheissen.

Weitere Themen des ersten Bandes sind die römischen Gräberfelder, die Stadtbefestigung aus der Zeit der habsburgischen Herrschaft vor 1415, die Brugger Mordnacht 1444, die Stadtentwicklung im 19. Jahrhundert, die Industrialisierung sowie Visionen des 20. Jahrhunderts. So präsentierte ein Ingenieurbüro vor dem Ersten Weltkrieg die Idee, einen Grosshafen in einer Aare-Au bei Brugg zu bauen, der Rotterdam mit dem Schweizer Mittelland verbinden sollte. Zwischen 1930 und 1950 setzte sich die Gemeinde Brugg aktiv für dieses Projekt ein. Danach beendeten der Landschaftsschutz und der Strassenbau diese Vision, so dass nie 100 Meter lange Flusskähne in Brugg anlegten.

Die Autorinnen und Autoren haben eine professionell recherchierte und gut geschriebene Stadtgeschichte verfasst, die inhaltlich sehr viel Substanz bietet. Sie steht in einer langen Reihe von Ortsgeschichtsprojekten, welche Aargauer Kleinstädte mit beträchtlichem finanziellem Aufwand an akademisch ausgebildete Historikerinnen und Historiker in Auftrag gaben.

Zitierweise:
Christian Lüthi: Rezension zu: Baldinger Fuchs, Astrid et al.: Brugg erleben. Bd. 1: Schlaglichter auf die Brugger Geschichte, Bd. 2: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft im Wandel, Baden, hier+jetzt, 2005, 752 S. (2 Bd.), ill. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 68, Nr. 3, Bern 2006, S. 169f.

Redaktion
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 68, Nr. 3, Bern 2006, S. 169f.

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